Vom Umgang mit der Angst

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christa antwortete auf Aw: Vom Umgang mit der Angst

29 Nov. 2012 13:10
#13
Hallo Marion,
auch uns wäre es sehr lieb wenn du weiter berichten würdest!
Wir haben unseren Udo jetzt 2 Jahre aber es gibt immer noch Sachen bei denen
er noch sehr zurückhaltend ist,keine Angst aber eine gewisse unsicherheit.

L.G Christa

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Vicky antwortete auf Aw: Vom Umgang mit der Angst

03 Dez. 2012 00:30
#14
Vielen Dank für Euer Interesse! Ich werde mir Mühe geben :)
Allerdings mischen sich irgendwie immer die Geschichten von Bibi und Mikey mit hinein….. :S


Deprivation bedeutet: Mangel (oder Entzug von etwas, das man braucht). Bezogen auf Hunde, so Frau Hense, bezeichnet Deprivation zumeist einen Mangel an Erfahrung. Betroffen sind meist Hunde, die in bestimmte Umweltbedingungen hineingeboren werden, ggf. dort aufwachsen und leben (müssen). Typischerweise depriviert sind Vermehrerhunde, Laborhunde, Zwingerhunde, Kettenhunde und, sehr häufig, Auslandshunde(……)

Traumatische Erfahrungen können beispielsweise sein: Hunger/Mangelernährung; gesundheitliche Probleme / Streß in der Welpenzeit (auch schon während der Trächtigkeit!), Traumen durch Verletzungen / Gewalt. Deprivation entsteht, wenn die zur Entwicklung notwendigen Reize fehlen, dieser Mangel wird zudem durch traumatische Erfahrungen ergänzt.

Deprivation kann zu jedem Zeitpunkt auftreten (häufig beginnt Deprivation mit einem Besitzerwechsel). Deprivation ist lebenslänglich nicht zu beheben, viele Hunde können sie aber kompensieren. Die meisten Hunde haben, so Maria Hense, geringen bis mittelgradigen Deprivationsschaden.
Traumatische Erfahrungen richten zwar Schäden an, sind aber veränderbar (jedoch nicht reversibel).
Je nach persönlicher Widerstandsfähigkeit des Hundes (rasse- und charakterabhängig) können die Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt sein, der Hund kommt mehr oder weniger gut mit seiner Mangelerfahrung zurecht.

Bezogen auf Bibi haben wir eher die schlechteren Karten: Bibi ist bereits von der Rassezuordnung sensibel, schon von Haus aus kein Draufgänger. Ein „dickes Fell“ hat er sicher nicht. Er war halb verhungert und in sehr schlechtem körperlichen Zustand, mit vielen Narben und kahlen Stellen. Menschen gegenüber wandte sich Bibi gar nicht zu, anderen Hunden nur zögerlich. Leine, Halsband, Geschirr lösten nackte Panik aus – Bibi hat irgendwann mal gelernt: an der Leine und mit Menschen in der Nähe muss ich Angst haben. Vielleicht ist er, wie so viele, mit der Schlinge eingefangen worden. Sein Patenrezept, damit umzugehen, war der komplette Rückzug. In diesem Kokon hat er seit mindestens einem halben Jahr gelebt, denn es ist nicht davon auszugehen, dass er zu Beginn seiner Zeit im Tierheim ein anderes Verhalten zeigte.

Er lässt sich inzwischen am Kopf anfassen, aber nicht am Rücken, an den Seiten oder an den Beinen. Man kann darüber spekulieren, wie er die ersten 5 Jahre seines Lebens verbracht hat – vielleicht ist er in Dunkelheit aufgewachsen, in einer Scheune, in einem Zwinger, ohne positiven menschlichen Kontakt. Als Jagdhund war er wohl eher nicht der Hit, denn verglichen mit Buddy oder Mikey ist Bibi die reinste Schlaftablette, und Spuren oder weglaufende Katzen interessieren ihn gar nicht (kann aber auch sein, dass das vielleicht irgendwann noch zum Vorschein kommt).

Deprivationssyndrom bezeichnet eine massive Schädigung.

Bei leichteren Formen spricht man von Deprivationsschäden.

Ein Angsthund bleibt immer ein Angsthund. Es wird mit der Zeit handelbar / erträglich, aber „gut“ wird es nur in dem Rahmen, den der Hund vorgibt.

Eigentlich wollte ich darauf hinweisen, dass Bibi zwar ein ausgeprägter Fall ist (er lebt sozusagen in einem permanenten Angstzustand mit wenigen bestimmten Auslösern. In der Hauptsache besteht sein Problem in einer großen sozialen Unsicherheit. Dies wird sich bessern, aber nicht wirklich heilen lassen) - das ist grausam, aber es gibt weitaus schlimmere Schicksale:

Eine Seminarteilnehmerin berichtete von der Labradorhündin einer Kundin, die seit 8 Wochen in einer Box im Wohnzimmer lebt. Die Hündin saß nach ihrer Ankunft bei den Leuten nur in der Ecke und starrte die Wand an. Jemand gab den Rat, der Hündin eine Box zu geben, damit sie einen sicheren (Rückzugs-) ort hat. Seit acht Wochen besetzt der Hund die Box, frisst nur in dieser Box, schläft nur in dieser Box und löst sich nur in dieser Box. Sie ist nicht dazu zu bewegen, sie zu verlassen, auch nichts nachts, wenn alles still und dunkel ist. Den Leuten wurde der Rat gegeben, entweder die Box an einem anderen Ort aufzustellen, oder mit einem angstlösenden Medikament den Kokon des Tieres zu unterbrechen.


Ein anderes Beispiel aus der Teilnehmerrunde war Emma, eine große schwarze Mischlingshündin aus Griechenland. Emma wurde in einem Wurf mit etlichen Geschwistern auf der Straße geboren. Stets war sie in einem Verband von Artgenossen, nie allein. Mit acht Monaten wurde sie nach Deutschland „gerettet“ und war mit Beginn des Aufenthaltes in der Flugbox zum ersten Mal in ihrem Leben allein. Das aber gleich für mehrere Stunden. Die jetzige Besitzerin meinte, dies hätte ihr wohl den Rest gegeben. Emma hat das „Alleinsein“ nicht verkraftet. Seitdem sie allein ist (trotz Hundeanwesenheit bei den Trainingsstunden) ist Emma ein Angsthund, zudem stark leinenaggressiv.

Fazit: Hunde, die als (einzige) Konstante in ihrem Leben andere Hunde hatten, in Einzelhaltung zu vermitteln, ist ein neues Trauma!


Ich finde es sehr interessant, hier bei mir zuhause gerade zwei Angsthunde miteinander vergleichen zu können. Bibi und unser Mikey haben eine ähnliche Herkunft (Jagd/Meutehund), jedoch sehr unterschiedliche Symptome der Deprivation.


Damit mach ich dann beim nächsten Mal weiter....
.....sofern ich bis dahin niemanden zu Tode gelangweilt habe.....

Liebe Grüße,
..... besonders an alle Angsthäschen!
Marion
Ich schreibe Bücher, oft geht es darin um Beagle :-) Bitte abonniert meinen Newsletter und folgt mir bei Amazon! www.meganmcgary.com

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agate antwortete auf Aw: Vom Umgang mit der Angst

03 Dez. 2012 08:41
#15
Hallo Marion,

keine Langeweile, ganz im Gegenteil.
Sehr verständlich und interessant geschrieben.

Danke!!

Liebe Grüße

Antje

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Schnuckelputz antwortete auf Aw: Vom Umgang mit der Angst

03 Dez. 2012 09:34
#16
toller Bericht Marion....danke,das du dir die Zeit dafür nimmst ,uns "weiter zu bilden" :side: ....denn lernen können wir davon alle was,glaub ich...auch wenn ich (zum glück) keinen Angsthund habe....aber man trifft immer mal wieder welche und weiß dann,besser da mit umzu gehen...

bin auf weitere Berichte sehr gespannt...

l.G:Regina u.Bonnie

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Kathi antwortete auf Aw: Vom Umgang mit der Angst

03 Dez. 2012 10:01
#17
Liebe Marion, eigentlich habe ich gar keine Zeit hier was zu schreiben, aber da Du meinst Du langweilst uns eventuell ... muß ich Dir gerade mal diesen "Zahn ziehen" ...
Habe Deine Sätze gerade verschlungen ... nicht nur wegen Epona, aber natürlich habe ich bei dem was Du schreibst, immer sie und Bibi im Kopf.
Ja, Bibi ist mit der Schlinge eingefangen worden und wenn ich an seine ersten Bilder denke - er war panisch. Kurz bevor ich ihn abgeholt habe, gab man mir noch den Tip aufzupassen, er könne in seiner Panik schnappen. Das hat er dann ja nun immerhin nicht getan, obwohl ich schon vorsichtig war.
Epona macht hier einen Schritt vor und zwei zurück, aber sie hat ja Zeit. Du und Bibi, ihr seid für mich ein großes Vorbild. Wenn es hier nur rückwärts geht, dann denke ich an euch - das hilft ungemein !!!
Danke Dir für Deine Zeit und Mühe, aber mach´ auch blos weiter !
Liebe Grüße,
Kathi

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Iris antwortete auf Aw: Vom Umgang mit der Angst

03 Dez. 2012 11:06
#18
Ich habe mich vor einiger Zeit auch etwas intensiver mit Deprivation beschäftigt und viel dazu gelesen.
Was ich jetzt dazu schreibe, ist möglicherweise durch neuere Erkenntnisse schon überholt, dennoch fand ich das ganz interessant.

Es geht um Lernverhalten.
Ähnlich wie bei Menschen gibt es auch bei Hunden in der frühen Kindheit die besten Möglichkeiten, die Synapsen im Gehirn anzuregen.
Wie das funktioniert, zeigt dieses Video:
dasgehirn.info/entdecken/kommunikation-d...en-des-lernens-3588/

Während das alles in der Kindheit noch sehr beweglich ist, wird es später träger und Lernen und Erfahren wird schwieriger.

Außerdem ist das, was in der Prägezeit gelerrt wird, nicht wieder verlernbar. Das bedeutet, dass ein Hund, der in dieser Zeit ausschließlich gute Erfahrungen mit Menschen macht, lebenslang eine positive Grundhaltung zu Menschen behält - und umgekehrt.

Hunde, die in dieser zu wenig oder schlechte Erfahrungen mit Menschen machen, haben dieses Grundvertrauen nicht. Sie müssen es später lernen. Auch das ist möglich, auch, wenn die chemischen Prozesse im Gehirm dann langsamer sind. Der wesentliche Punkt ist, dass dieses spät(er) Gelernte wieder verlernbar ist. Es muss immer wieder bestätigt werden, damit es dauerhaft bleibt.

Ich stelle es mir so vor, als überlagerten gute Erfahrungen den schlechten Erfahrungsanfang. Die guten Erfahrungen liegen locker über den schlechten, werden aber nicht wirklich verankert. Ganz tief unten sitzt die Angst und das Misstrauen, und es kommt zum Vorschein, wenn es nicht immer wieder abgedeckt wird.

Vielleicht meinte Frau Hense das, als sie sagte, dass ein Angsthund immer ein Angsthund bleibt.

Ich schreibe das, weil es mir geholfen hat, die Dinge zu verstehen. Für Übernehmer dieser Hunde gibt es Grenzen des Möglichen, die man respektieren muss. Auch mit Tonnen an Liebe, Geduld, Zuwendung und Anreizen wird man aus einem Angsthund keinen Draufgänger machen. Und das hat überhaupt nichts mit Unfähigkeit zu tun, es ist schlicht Chemie...

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