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Autor: Marion Weigel

Während woanders die Kirchenglocken zur Weihnachtsmesse rufen, Gabentische bestückt und Menüs kredenzt werden, nehmen wir einigermaßen fassungslos den ersten der jüngst vermittelten Welpen wieder zurück.

Es gibt Vermittlungen, wo man schon ein bisschen skeptisch ist, ob das alles wirklich gut geht. Aber dann improvisieren die Leute so gut und sind so voller Esprit, dass man sich verwundert die Augen reiben möchte, und der Hund hat ein vielleicht nicht perfektes, aber absolut passendes Zuhause und wird sein Leben lang geliebt. Jamies Vermittlung hat uns wieder mal eines besseren belehrt – beagleerfahren, welpenerfahren, arbeiten von zu Hause aus, Kinder im Teenie-Alter, Haus und Grund reichlich vorhanden, tolle Sache.

An Heiligabend kommt die Nachricht, dass Jamie ausziehen muss, zeitnah; wo könne man ihn bitte abgeben? Und das ist so, als kippt einem jemand Eiswasser über den Kopf. Da, wo man es am wenigsten erwartet! Jamie nervt, stört, geht überall dran, ist nach sensationellen 8 Tagen noch immer nicht stubenrein, zu Hundebetreuung à la 24/7 ist man nicht bereit, schließlich müsse man arbeiten, der Hund bedrohe demzufolge die Existenz. Nach genau einer Woche ist das Thema „Laborbeaglewelpe“ restlos durch, der Aggressor muss weg, am besten schon gestern, man garantiere für nichts.

Der „Fall“ Jamie hat uns dann auch sogleich zu diesem Artikelchen inspiriert. Dem Thema und der allgemeinen Verärgerung angepasst, ist das Werk nicht nett. Alle vernünftigen Menschen bitten wir, uns eine gewisse biestige Bitterkeit nachzusehen, aber je nach persönlicher Robustheit hat dies den einzelnen Teamkollegen die Feiertage ganz schön verhagelt.

Wir vermitteln schon lange Labor- und andere Beagles. Vermittlungen sind nicht in zwei Stunden gemacht. Es geht in den weitaus meisten Fällen eine Menge Zeit ins Land, bis wir gewillt  sind, Ihnen einen Hund zu überlassen. Und manchmal lehnen wir auch ab. Das wiederum hinterlässt offenbar tiefe Narben in den Seelen der abgelehnten Bewerber. Das tut uns leid, aber Sie müssen sich damit abfinden.  Wir kennen mittlerweile jedes Argument, das Bewerber uns auftischen, um den erträumten Hund von uns zu bekommen. Wir empfinden es durchaus als Arroganz, wenn Interessenten unsere Beratung wegwischen, unsere Warnung abtun mit dem Hinweis, man habe schließlich Hundeerfahrung, und es sich verbittet, uns die Beurteilung des Einzelfalles zu überlassen.

Wenn bei aller Sorgfalt trotzdem einer mal durchrutscht und zurückkommt, ist das ein sehr geringer Prozentsatz, quasi eine Quote. Hat jeder, der etwas vermittelt oder verkauft, ist völlig normal. Fragen Sie mal bei Zalando nach der Anzahl der Rücksendungen! Indes, es geht bei uns um Lebewesen, und hinter dem ganzen Brimborium stecken Menschen, die dies alles nebenbei machen.

Es gibt, das ist der springende Punkt,  unterschiedliche Ansätze, eine Retoure vorzunehmen.  

Hunde dürfen an uns zurückgegeben werden! Es kommt auf die Umstände sein, wie sauer wir dann sein werden bzw. dürfen.  Manchmal sieht man über Wochen kommen, dass es nicht funktioniert im neuen Haushalt: dieser Hund ist mit diesen Menschen (oder Ersthunden) nicht kompatibel, das Zusammenleben funktioniert einfach nicht.  Es gibt sie, die unglücklichen Kombinationen, wo es wirklich nicht geht und Hund und Mensch leiden. Das kann man nicht voraussehen, und wir sind die Letzten, die darauf bestehen, dass das Experiment dann noch endlos fortgesetzt und alles Mögliche durchprobiert wird. Den Spruch vom dem Ende mit dem Schrecken sparen wir uns an dieser Stelle.

Wir hatten im vergangenen Jahr jene Dame, die sich just den zweiten Beagle *angeschafft* hatte – einen Welpen, was sonst -, und dann einen neuen Partner fand. Dieser konnte bei aller Liebe zu seiner Herzensdame ihre Hunde nicht ab – beide (Hunde) mussten schnellstens weg. Ob die Beziehung das verkraftet hat und ob der neue Typ wenigstens mit dem Kind der Frau einverstanden war, entzieht sich unserer Kenntnis. Unser Verständnis für das Ganze hielt sich insgesamt ohnehin ziemlich in Grenzen. Merke: neue Lieben, die unsere Hunde nicht akzeptieren, können sich getrost gleich wieder auf den freien Markt begeben. Schade, dass das nicht jede(r) so sieht. Aber wir sind Hundemenschen, und das kann man wohl nicht von jedem sagen.

Weiterhin gibt es Leute, die über  Monate und Jahre nicht mitkriegen, dass es dem Beagle nicht gutgeht. Die keine Antenne haben für Bedürfnisse und Signale, die den Hund in Grund und Boden erziehen, bis auch hier nichts mehr geht: Griff zum Telefon, abholen, aber plötzlich, ansonsten bleibt dem Halter leider, leider nur noch die Option „aussetzen“ oder „einschläfern“.

So, Ohren und Augen mal aufsperren, pardon: wenn Sie meinen, den Hund auf die eine oder andere Art (im Wald anbinden und sich selbst überlassen heißt im Klartext, den Tod des Tieres mindestens billigend in Kauf zu nehmen) um die Ecke bringen zu können, bedeutet das a) einen Vertragsverstoß und b) Strafverfolgung. Wir werden Ihnen nachsteigen bis zum jüngsten Tag, wenn Sie unsere Hunde nicht so behandeln, wie wir uns das vorstellen. Also geben Sie Ihren Hund bitte vertrags- und tierschutzkonform zurück, wenn es nötig wird. Wir nehmen ihn ja! Aber es wäre schön, wenn wir uns alle dann trotzdem noch ins Gesicht sehen könnten.

Übrigens: Die Schutzgebühr gibt es nicht zurück, auch nicht anteilig. Siehe Vertrag.

Wenn man uns vor der Vermittlung was vom Pferd erzählt und dann nach wenigen Tagen festgestellt haben will, dass der Welpe wohl eine Macke hat, reagieren wir nicht wirklich erfreut. Vier Monate alte Hunde haben nicht mehr die drollige Rundlichkeit, die dazu führt, dass allgemeines Jauchzen und übermäßige Toleranz anhebt. Sie sind schlaksige Teufel mit nichts als Unfug im abenteuerlustigen Köpfchen, aber das haben wir Ihnen in ausführlichen Gesprächen und vielen langen ehrlichen Texten auch dargelegt. Schieben Sie es bitte nicht auf den Hund, wenn er vor lauter Streß in Ihrem Haus über Tage weder Nahrung noch Wasser zu sich nimmt, was eventuell damit zusammenhängen könnte, dass Sie ihn ausschließlich in der Küche dulden, weil da der Fußboden gefliest ist, und ihn ansonsten zu stundenlangem Gassi zwingen, damit er Ihnen ja nicht auf die Auslegware pieselt, was er natürlich doch tut, weil er schon rein anatomisch fast noch gar nicht anders kann. Wenn Sie wirklich der Überzeugung sind, der kleine Hund macht das, um Sie persönlich zu ärgern und Sie, fieser Teufel, der er ist, als Objekt und willkommenes Opfer seiner Rache nach all der angeblich im Institut erlittenen grausamen Unbill  auserkoren hat, dann sollten Sie vielleicht Ihre Einstellung zu unserer Arbeit nochmals überdenken.

Oberflächlich, abgehoben, voller Vorurteile und ohne Menschenkenntnis... das sind nur einige der Attribute, mit denen unser Team dieser Tage überzogen wird.  Die Vermittlung von 24 Welpen führte zu hunderten von Anfragen, naturgemäß beinhaltet dies, schon nach gewissen rechnerischen Grundsätzen, auch dutzendfache Ablehnungen von Bewerbern. Welche sich, wohlgemerkt, alle für bestens geeignet halten, es mit dem armen Hascherl aus dem Versuchslabor aufzunehmen (nee, nee, Vorsicht, Mißverständnis: kein Opfer grausamer Praktiken. Vier Monate alt. Welpe. Beagle.Teufelsbraten. Alles normal. Siehe oben!)

Wir sind kein Dienstleistungsunternehmen und haben keinen Chef, nicht mal einen Supervisor, der uns von Zeit zu Zeit den Kopf ordentlich zurechtrückt, wenn uns das Gott spielen wieder mal in die Birne gestiegen ist und das Roß, auf dem wir angeblich sitzen, monströse Maße annimmt.

Nein. Wir entscheiden das meistens allein. Gelegentlich im Team, nur in besonderen Fällen im Vorstand. Anmaßend, wie wir sind, traut sich jeder Vermittler zu, das weitere Schicksal des Hundes in die eigenen Hände zu nehmen. Wir stützen uns auf Erfahrung mit Hunden und ihren Menschen. Manche nennen das „Willkür“.

Die einen sind begeistert von uns, die anderen würden uns mit Freuden zum Teufel jagen. Sie dürfen mal raten, wer zu welcher Fraktion gehört! Zum Glück sehen die weitaus meisten die Sache ganz sachlich, als Geschäftsbeziehung. Schön, wenn trotzdem nähere Bekannt- und sogar Freundschaften entstehen.

Da gibt es die Leute, die die Entscheidung auch Wochen später noch in Frage stellen und einfach nicht locker lassen. Die ständig Mails schreiben und dauernd kleine fiese Spitzen bei Facebook posten à la „bei uns hatte er/sie es gut/besser/unübertrefflich gehabt“ *ätschibätsch*, und wie unfähig seid ihr eigentlich, da bei der LBH?

Diesen Menschen rufen wir zu:  Wir sitzen hier an diesem Hebel. Wir. Und wir entscheiden. Und wenn wir gegen Sie entschieden haben, dann ist das zwar über die Maßen traurig für die Betroffenen, aber wohl begründet, und Sie müssen irgendwie versuchen, damit zurechtzukommen. Wir schließen deshalb nicht aus, dass Fehlbeurteilungen passieren.

Grundsätzlich wäre es manchmal vielleicht besser, Sie bestünden nicht gleich auf einer Vermittlung. Versuchen Sie es doch bitte lieber erst als Pflegestelle. Da haben Sie immer noch eine Art Vorkaufsrecht, nämlich die Übernahmeoption, aber alle anderen haben sehr viel weniger Stress. Und ums Geld geht‘s dann auch nicht. Insbesondere erspart es uns die Notwendigkeit, mittags am Heiligen Abend per Mail vor das Ultimatum gestellt zu werden: Hund abholen, aber zügig, oder wir garantieren für nichts.

Beim nächsten Vermittlungsvorhaben werden wir wohl in den Augen der unbedarften Bewerber rüberkommen wie Abgesandte der spanischen Inquisition. Wie kann man Eignung, Befähigung und Glaubwürdigkeit prüfen? Mittels Lebenslauf und Leumundszeugnissen?  50 Fragen rund um den Beagle, inclusive Kaufbelege unserer Bücher und nachfolgendem Zetteltest? Atteste vom vorherigen Tierarzt? Der Facebook-Community? Vom Graphologen? Einem Wahrsager?!

Oder Vermittlungen nur noch nach beurkundeter Pflegestellen-Feuertaufe und achtmaligem Gassigehen mit dem zukünftigen Hund, so wie es viele Züchter und Tierheime praktizieren? Hunde nur noch zu noch lebenden, nachgewiesenermaßen glücklichen und fitten Erst-Beagles?

Och nö.

Nachdem wir uns nun diese Last von der Seele geschrieben haben, bleiben wir wahrscheinlich so, wie wir bisher waren. Und nehmen Jamies Rückgabe als das, was es ist: ein einmaliger Irrtum, Murphys Gesetz, der Pechvogel unter den über 20 Glückspilzen.

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 Per definitionem ist die Kolumne eine meinungsbildende Textsorte. Sie ist ein, häufig pointiert verfasster, Meinungsbeitrag und spiegelt somit die Ansichten des Autors zu einem Sachverhalt wieder.

Die Autorin dieser Kolumne ist, wie man unschwer erkennen kann, ein Freund direkter Worte und gerade ziemlich angefressen.    

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