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Autor: Marion Weigel

So beginnen dieser Tage viele Gespräche, die sich um neu aufgenommene Hunde, resp. frisch entlassene Beagle, drehen. Und egal, ob es sich um Pflegehunde oder feste Familienmitglieder handelt, immer schwingt viel Sorge und ein Hauch Verzweiflung bei den Menschen mit. 

Daher eines vorweg: Ängstliche frisch Entlassene sind die Regel, nicht die Ausnahme!

Wir sind in letzter Zeit verwöhnt von so manch glückstrahlendem Springinsfeld und leiten zu gern davon ab, dass das Was-kostet-die-Welt-Schlappohr repräsentativ für alle seine Kollegen aus allen möglichen Instituten ist. Wäre ja auch schön.

Oder besser: schön wär’s!

Meistens ist es anders. Schon von Abteilung zu Abteilung in ein und derselben Forschungseinrichtung kann der Hund voller Elan und sehr zutraulich, oder – häufiger -, schüchtern und eher scheu sein.

Lassen Sie sich beruhigen: es ist weniger „Angst“, es sind meist einfache Anpassungs-

schwierigkeiten. 

Stellen Sie sich bitte einmal in Technicolor und Dolby Surround vor....

 

....Sie würden eines trüben Freitagmorgens plötzlich und unerwartet von Leuten, deren Miene zwischen Betretenheit und Aufregung schwankt, abgeholt, verpackt und mit unbekanntem Ziel verladen.

Niemand kann Ihnen verständlich machen, wieso Sie nun Ihre vielleicht nicht traumhaft behagliche, aber immerhin gewohnte Umgebung (in der Sie ja bis jetzt einigermaßen durchgekommen sind, und schließlich: Sie kennen nichts anderes!) gegen Kälte, Lärm, Unruhe, Gestank, völlig unbekannte klimatische Verhältnisse und eine Menge fremde Menschen eintauschen müssen.

Man redet sogar noch beständig bemüht-beruhigend auf Sie ein, fasst Sie ungewohnt an, trägt Sie weg. Das ist nicht gerade geeignet, Ihnen Ihre urplötzlich abhanden gekommene, zuvor ohnehin nicht besonders reichhaltig vorhandene Sicherheit postwendend zurück zu geben! 

Dann, Stunden später, landen Sie irgendwo.

Und Ihr Weltbild ist um 180° Grad gedreht.

ALLES ist anders als zuvor. Von „besser“ ist da zunächst keine Rede.

Vielleicht geht es Ihnen sogar körperlich gerade nicht so gut, vielleicht ist Ihnen richtig schlecht vor lauter Auto-und-Herumtrage-Gewackel, womöglich durften Sie seit gestern nichts essen, Sie frieren, Ihr Herz schlägt Ihnen bis zum Hals – da wären Sie auch für die nächsten Tage erst einmal verschüchtert und lieber unsichtbar – wer weiß denn, was noch kommt!

 

Es ist ein Segen, dass die allermeisten unserer Hunde sich relativ schnell in die neue, aufregende, volle Welt einfügen.

Und warum sollten sie es auch nicht tun – die Veränderung bietet ja jede Menge Vorteile, und Hunde sind gemeinhin Opportunisten.

Die Zeit, die sie zum Ankommen benötigen, ist individuell. Jeder Hund, selbst, wenn es sich um Wurfgeschwister oder langjährige Zwinger-Kollegen geht, ist einzigartig in seinem Erleben und seiner Streßtoleranz.

 

Es gibt Hunde, die hüpfen nach wenigen Schrecksekunden mit allen vier Pfoten und Anlauf ins neue Glück. Dann vermag der Neu-Beagle-Halter seine Verblüffung kaum in den Griff zu kriegen, weil er das natürlich auch nicht erwartet hatte…könnte der Hund nicht wenigstens ein bisschen ängstlich sein? Wer glaubt dem denn die Labor-Vita?!

Obwohl, solche hatten wir diesmal wohl eher nicht dabei - diesmal waren es doch mehr Angsthäschen als wilde Feger.

 

Die weitaus meisten Hunde brauchen einfach ein paar Tage, um glauben zu können, was ihnen nun an Zuwendung und Positivem widerfährt. Währenddessen schauen sie sich zurückhaltend und still alles an, warten ab und fassen Mut, um dann langsam aus dem Quark zu kommen.

 

Es gibt aber auch Hunde, die verbringen die erste(n) Woche(n) außerhalb ihres gewohnten Labor-Behaviours wie in Erwartung eines schrecklichen Schlages: sitzen erstarrt auf der Couch, starren blicklos ins Leere und haben eigentlich mit allem abgeschlossen. Hilfe, Apokalypse!

 

Das ist für mitfühlende, menschliche Wesen, wie wir es sind, schwer auszuhalten. Man möchte dauernd hingehen und das arme Tierchen trösten, drücken und knuddeln, ihm beständig über den Kopf streicheln – bitte: tun Sie es nicht.  

Menschen neigen zum Mitleid, was grundsätzlich gut ist, aber Ihren Ex-Laborhund müssen Sie nicht (mehr) bedauern: er/sie ist ein Glückspilz, ein Gewinner – kein Pechvogel.

Aber bis der Hund seinen schöne-neue-Welt-Overkill einigermaßen verdaut hat, vergeht einige Zeit.

Es ist nicht schlimm, wenn er währenddessen mit nach innen gerichtetem Blick Löcher in die Luft guckt. Bedrängen Sie ihn nicht zu sehr, verlangen Sie nicht zu viel. Umso schöner ist es, wenn er nach einer Weile von selbst seine Neugier entdeckt – und Sie J

Zum Lernen ist später noch Gelegenheit genug, und auch die nötigen Regeln verinnerlicht Ihr Hund auch nächste Woche noch.

 

Das Internet ist voll mit Angsthunden, schwer traumatisierten Tieren, denen man nur mit sehr viel Unterstützung ein würdevolles Leben ermöglichen kann. Unsere Laborbeagle gehören dazu in aller Regel nicht.  Aber auch Laborhunde sind die Summe ihrer Erfahrungen, die sie bisher mit den Menschen und dem Umfeld gemacht haben. Unter Laborbedingungen begründen sich diese Erfahrungen meist auf wenige Meter Raum, auf die Beschaffenheit einiger weniger Dinge, auf ein eingeschränktes Repertoire an Geräuschen und Gerüchen, und auf einen gewissen Umfang an Maßnahmen im Rahmen der am Hund durchgeführten Forschung. 

Nach ihrer Entlassung werden die Hunde plötzlich überschüttet mit neuen Eindrücken. Je nach Charakter ist dann eben eher „learning by looking“ (sorry, „watching“) angesagt, statt einem forschen „learning by doing“. Lassen Sie ihn gewähren, und stellen Sie sich vor, wie in seinem Gehirn gerade ein Feuerwerk an Synapsen wächst.  

 

Es gibt kaum etwas Anrührenderes, als so einen kleinen Hund mit langen Ohren, dem die Beine im Sitzen weggrätschen, wenn er sich da entlang der Boxen-Wand zusammenduckt. Wir alle wollen ihn am liebsten vor sämtlichem Übel beschützen – aber auch der schüchternste Beagle wird sich Ihnen irgendwann anschließen, sich anpassen, sich sehr gut mit dem neuen Umfeld arrangieren. Sie helfen Ihm dabei, wenn Sie möglichst wenig zu seiner Verunsicherung beitragen.

Die Variable in der Gleichung „Laborbeagle plus Freiheit gleich Glück“ lautet bedauerlicherweise: Es kann leider niemand vorhersagen, wie viele Tage oder Wochen diese Entwicklung in Anspruch nehmen wird. 

 

Ja, es gibt Hunde, die monatelang brauchen, um nicht mehr bei jeder plötzlichen Bewegung zusammen zu fahren. Und es gibt auch Hunde, die zeitlebens anscheinend mehr Rück- als Fortschritte machen.

Aber irgendwann geht es meist vorwärts, und jeder Schritt auf diesem Weg wird Sie stolz machen wie Bolle, sobald er erst einmal getan ist.

Nicht mehr lange, und das bedauernswerte Geschöpf wird Ihnen frech den Platz in Ihrem eigenen Bett streitig machen, und vielleicht werden Sie sich augenreibend wundern, was aus Ihrem Häufchen Elend im Laufe der Zeit geworden ist J

Jedenfalls sind wir optimistisch, dass es so kommt – beim einen, wie gesagt, früher, beim anderen später. 

 

Zeit heilt tatsächlich alle Wunden.

Mitunter bleiben Narben zurück, aber selbst die werden allmählich blasser.

Die größeren Narben, physisch wie psychisch, haben allerdings in letzter Zeit nicht die Laborhunde, sondern die, die aus dem Ausland (besonders aus dem westlichen L, nicht, wie es gemeinhin als Standard erwartet wird, dem östlichen) zu uns gereist sind.

 

Laborhunde sind gesunde Hunde ohne Erfahrung mit dem „echten“ Leben. Man spricht bei einem solchen Mangel an Erfahrung von „Deprivationsschäden“, nicht aber von einem Deprivationssyndrom (einer massiven Schädigung, die kaum nachhaltig therapierbar ist). Schäden kann man beheben – vor allem mit Geduld, Zeit, Sicherheit, Regelmäßigkeit und – Spaß.  

Sie hatten anhand eines kleinen, etwas unscharfen Bildchens und einer netten, aber dürren Beschreibung sicherlich eine gewisse Vorstellung von dem Wesen, das Ihnen von Herbert, Axel, Stephan oder einer/einem anderen vom LBH-Team per Box serviert wurde.

Da haben Sie Glück: vor nicht allzu langer Zeit gab es nicht mal Fotos der avisierten Hunde, statt dessen wurden lediglich rosa oder pastellblaue hinterlegte Beagle-Silhouetten unter dem Hundenamen abgebildet, was der persönlichen Phantasie beträchtlichen Raum ließ ;-)

Doch auch die heutigen Fotos, die wir aus den Instituten erhalten, werden der Schönheit und dem besonderen Typ des jeweiligen Beagle  oft nicht gerecht.

Die kurze Charakterisierung, die wir von den Tierpflegern erhalten, trifft allerdings meistens zu.

 

Auch wenn sich kaum glauben lässt, dass sich irgendwo in dem Ihnen soeben vorgestellten, zitternden Beaglebündel mit dem stumpfen Blick ein „freundlicher, verspielter Hund, toll für sportliche Menschen“ verstecken soll.

Natürlich werden die Eigenschaften „ruhig, zurückhaltend und anfangs ängstlich“ weitaus öfter anzutreffen sein. Glauben Sie es: Auch der anfangs ängstliche Beagle wird seinen Weg nach einer Weile finden, und vermutlich werden alle Beteiligten ihre Freude daran haben J

 

Dennoch: es handelt sich um eine Prognose, nicht um ein Versprechen – schon gar nicht um eine Garantie!

Die VermittlerInnen der Laborbeaglehilfe geben sich redlich Mühe, Sie im Vorgespräch auf alle Eventualitäten hinzuweisen. Aber wie das so ist mit Theorie und Praxis – oftmals zeigt sich, nur Sehen heißt Glauben…bleiben Sie entspannt, aber rechnen Sie bitte mit allem! 

 

Meine Laborhündin Georgia, die mit anderthalb Jahren ihren Job hinwerfen durfte, hat ein halbes Jahr gebraucht, bis sie nicht mehr vor uns auf den Bauch robbte, sobald jemand die Hand nach ihr ausstreckte. Sie kam dünn und ohne Muskulatur bei uns an, fiel in jede Pfütze und stolperte über jede Treppenstufe. Heute ist sie, obwohl die zweitjüngste, unerschrockene Chefin unseres vierköpfigen Rudels und steckt jeden doppelt so großen Hund locker in die Tasche.

 

Solche Geschichten kann Ihnen fast jeder Laborbeagle-Halter erzählen, und so gut wie immer hört man den Stolz und das Glück über die Entwicklung deutlich heraus.

Und ein bisschen Erstaunen.

 

Natürlich gibt es Ausnahmen, die gibt es ja immer, aber dieser Artikel soll schließlich zum Mut-Machen dienen! J Wie immer sind wir sehr gerne mit Rat & Hilfe für Sie da.

Als ersten, ungebetenen, Ratschlag hätten wir diesen hier, da sehr oft die Hundebox als Nonplusultra für den ängstlichen Hund empfohlen wird:

 

Die persönliche Meinung der Verfasserin (die auch mühsam ihre Erfahrungen selber sammeln musste ;-)), ist, die Box eher nicht als Lösung aller Probleme und als Schutz vor der ganzen bösen Welt zu betrachten. Hunde in Boxen (oder unter Betten, oder andere ähnliche Einbahnstraßen) sind isoliert.

Boxen sind zum Transportieren da. Nutzt man die Box als Hunde-Wohnsitz, schafft man sich womöglich schnell neue Probleme, die die erforderliche Adaption noch erschweren, statt sie zu erleichtern. Der Hund soll und muss sich mit Ihnen, Ihrer Familie und Ihrer Wohnsituation auseinandersetzen und sich damit arrangieren, ob ihm das nun alles gut gefällt oder nicht. Machen Sie es ihm leichter, indem sie ihm die Option des Rückzugs in die Box gar nicht erst anbieten. 

Also, raus aus der Box, bitte! – aber nicht mit Gewalt, und da fangen die Schwierigkeiten schon an. Zum Glück lassen sich viele Transportkisten auch relativ geräuschlos auseinandernehmen. Der Hund wird staunen und sicherlich sehr an Ihrer Entscheidung zweifeln! Solange Sie ihm einen guten Ersatz als Rückzugsort bieten (vielleicht eine geschützte Ecke, die Ihnen Zugang zum Hund ermöglicht, ihn aber nicht den ganzen Raum überwachen lässt), wird er Ihnen aber mit Sicherheit verzeihen und in ein paar Stunden oder Tagen mit der Vertrauensbildung fortfahren J

 

 Wir hoffen mit Ihnen, dass die ängstlichen Tage Ihres ehemaligen Laborbeagle bald hinter Ihnen liegen und keinen allzu großen Schatten auf Ihr Glück, einen wunderbaren Hund zu haben, werfen!

 

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