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Autor: Marion Weigel

(Lesezeit: ca. 10 Minuten)

Im Juni habe ich meine Hündin Buddy begraben. Sie starb zwei Wochen vor ihrem 14. Geburtstag und wurde somit dreizehn Jahre alt. Buddy litt an ein paar Alterserscheinungen – die Augen waren nicht mehr so gut, die Ohren sowieso nicht, sie mochte nicht mehr alles fressen, hatte Arthrose und Alterswarzen und ein paar Hautveränderungen. Sie kam morgens schlecht hoch, schnarchte doppelt so laut wie noch letztes Jahr, aber sie wurde über die Monate auch immer gemütlicher und leichter zu lenken; ein kuscheliger, genügsamer, liebevoller Beagle, der viel schlief und wenig forderte. Im April kam Krebs. Buddy wurde dünner und irgendwie klapprig, und, wie gesagt, gegen Ende Juni ging nichts mehr. Buddy ist übrigens der Dezember-Hund im 2023er LBH-Kalender. 

Wir haben Buddy im Alter von 9 Wochen bei uns aufgenommen. Sie hat ihr Leben bei uns verbracht, war keinen einzigen Tag ganz allein, immer waren andere Hunde da und Menschen, die sich kümmerten und sie liebten und knuddelten und sich manchmal die Haare darüber rauften, was einem Beagle alles in den Sinn kommt. Ich bin mir ganz sicher, dass alle unsere Beagle ein Leben hatten, wie man es nicht besser haben kann. Sie hatten auch den Tod, den man sich für ein Tier wünscht: behütet, gewärmt, schmerzfrei und vor allem: geliebt.

Seid ihr zu Tränen gerührt? Ich bin es, dabei ist es meine eigene Geschichte. Ich kenne ganz viele solcher Geschichten und Menschen, die etwas Ähnliches erlebt haben. So sitze ich hier und heule in die Tasten, aber dieser Artikel hat noch nicht mal richtig angefangen.

Der ARD-Beitrag vom 20.11.23, eine 45-Minuten-Dokumentation über Laborhunde und Tierversuche, der, das möchten wir bitte ausdrücklich betonen, ohne unsere Mitwirkung entstanden ist, obwohl der eine der beiden Hunde von uns vermittelt worden war, hat etwas bewirkt.

Leider nicht das, was wir erhofft hatten. Erhofft hatten wir unter anderem...

..., dass mal jemand über Laborhunde berichtet – der Wunsch wurde erfüllt. Erwartungsgemäß wusste nur ein winziger Teil der Bevölkerung, dass es Laborhunde gibt. Erhofft hatten wir, dass jemand eine Lanze bricht für die wenigen Hunde, die entlassen werden können, und den Interessenten Mut macht, einen Ex-Laborhund zu adoptieren. Übrigens sind es 2 %, die vermittelt werden können, nicht 20 %, wie im Beitrag behauptet. Wir denken, die 580 Hunde, die das betreffen könnte, würde sich sehr dafür interessieren, aber die Zahl stimmt halt nicht. Es wäre übrigens auch fast unmöglich, so viele Beagle zu vermitteln. 

Jetzt wissen also eine Menge mehr Leute, dass es Laborhunde gibt. Leider sind jetzt auch ganz viele Menschen dermaßen abgeschreckt, dass Interessenten von Anfragen zurücktreten und nach den Bildern bitte niemals mehr was über Tierversuche wissen wollen. Viele haben den Film gar nicht zu Ende gesehen, und sie werden auch nie mehr etwas derartiges anschalten. Das wissen wir aus den über 300 E-Mails, Nachrichten und Anrufen, die wir seit der Sendung bekommen haben.

 

Also war das ein ziemlicher Flop.

Wir haben aber noch was bekommen: Neue Angebote, Hunde zu übernehmen. Vielleicht ein Zufall, vielleicht aber auch ein Nebeneffekt des Fernsehbeitrags, wir wissen es nicht genau. So hat alles sein Gutes.

Kommen wir zurück zu meinem 13jährigen Beagle Buddy, dessen Vorgänger und die Kumpels unseres Hunderudels mit 11, 12, 16, 17 und 10 Jahren über die Regenbogenbrücke gehen mussten (ich habe nun noch einen 9Jährigen, gesunden Hund).

warum ich euch das erzähle? Weil alte Hunde etwas Besonderes sind, und man an manchen Hunden etwas gutzumachen hat. Neun der Hunde, die wir demnächst bei der LBH haben dürfen, sind 13 Jahre alt. Einer ist neun Jahre, der Rest jünger und bisher ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen (noch mal ein kurzer Exkurs zur Doku: Die Institute teilen uns mit, was mit den Hunden gesundheitlich los ist. Alles andere wäre unseriös).

Die Jungs und das Mädel aus der Oldie-Hundegruppe besitzen die üblichen Alterszipperlein. Über die Lebenszeit, die sie mutmaßlich noch haben werden, können auch wir nur unsere Glaskugeln befragen, aber die Lebensuhr der Hunde würde noch vor dem nächsten Frühjahr schlagartig ablaufen, wenn wir sie nicht übernehmen.

 

Es ist nicht üblich, dass Hunde im Tierversuch so lange gehalten werden. Außergewöhnlich ist, dass man sie abgibt. Offenbar traut jemand den Hunden zu, mit den Veränderungen des Umzugs klarzukommen, auch, wenn sie nicht mehr den optimalen Zahnstatus und ein paar Baustellen haben, um die man sich kümmern muss.

Als wir die Datenblätter der Hunde erhalten haben, gab es Anlass zu neuen Tränen: Diese Hunde sind alt und sehen auch so aus. Meine Buddy und die anderen Hunde waren auch alt, weiß um die Nase und etwas wackelig auf den Beinen, aber sie hatten weiche Betten, Beschäftigung, seniorengerechte Bewegung und jede Menge positiven Kontakt. Ob das Leben dieser 13 Jahre alten Beagles auch so ist?

Wissen wir nicht, ist auch egal. Wir werden sie übernehmen und suchen Plätze für sie.

Hunde in diesem Alter hat bisher noch niemand übernommen. Aber wir waren auch die einzigen, die die Telemetrie-Hunde haben wollten. Und die Quittung dafür haben wir von der ARD bekommen - jetzt denkt die halbe Welt, die Laborbeaglevermittler vermitteln schlecht reparierten Ausschuss; danke für nichts, liebes Fernsehen.

Vielleicht werden es Gnadenplätze. Vielleicht werden es Dauerpflegestellen. Auf jeden Fall wird es für uns ein teurer Spaß. Übrigens kriegen wir keinen Cent dafür. Nur mal so nebenbei. Deshalb suchen wir: Endstellen und Pflegestellen für alte Hunde, aber auch Paten, Spender und Sponsoren.

Wir wissen nicht, wie diese Hunde mit dem neuen Leben zurechtkommen, und wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie sinnvoll es ist, alte Bäume zu entwurzeln. Theoretisch ist denkbar, dass diese Hunde bereits an irgendetwas erkrankt sind, das früher oder später final wird. Möglich ist auch, dass sie noch ein, zwei oder drei gute Jahre haben. Vielleicht überrascht uns auch einer, blüht richtig auf und wird 18 Jahre alt, so wie seinerzeit Whiskey und Tinny.

Wir haben uns entschieden, den Hunden einen Lebensabend zu schenken, der den Namen auch verdient, weil die Alternative keine ist. Und das Labor hätte ja nicht fragen müssen. Sie haben aber gefragt, und – zack! – fühlen wir uns nicht nur angesprochen, sondern verpflichtet, und - schwupps!- haben wir zugesagt, die ganze Gruppe zu übernehmen. Es handelt sich um: Elli, Floh, Heidi, Ragnar, Charly, Elmar, Erik, Bobo, Buddy, Jack, Fred, Sultan, Willi, Falk, Franjo und Frieda.

 

Nun sind alte Laborbeagle aber nicht einfach nur alte Beagles. Was erwartet Übernehmer von Hunden in diesem Alter? Wahrscheinlich einige Anpassungsschwierigkeiten. Vielleicht ein paar Macken, an denen sich bisher niemand gestört hat. Wie schnell die Opis und Omis stubenrein werden oder an Leinen laufen können, können wir nur mutmaßen. Wie lange sie gesund sein werden, wissen wir nicht. Wie sie auf Familienleben, Haushaltsgeräusche, Straßenverkehr, weiche Körbchen, regelmäßige Bewegung, Schmuseeinheiten und Kaustangen reagieren? Keine Ahnung. Vielleicht finden sie das alles doof. Vielleicht aber werden sie auch glücklich. Vielleicht geht es ganz problemlos, so mancher älterer Hundeherr ist einfach froh, wenn er seine Ruhe hat. Vielleicht wird es aber auch etwas anstrengender. Es hat aber auch von Anfang an keiner behauptet, Tierschutzarbeit wäre easy.

Beagle altern normalerweise sehr gut – ein zehn, elf Jahre alter Beagle ist noch kein Hundeopa. Aber 13 Jahre alte Hunde, die geistig und körperlich nur beschränkt gefördert wurden, sind alt, und das sieht man ihnen auch an. Als ich die Fotos und Beschreibungen bekommen habe, um die Vermittlungstexte zu machen, war das wirklich schwer und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was Charlie, Bobo, Fred und die anderen dort wohl gemacht haben, während meine Buddy die Hundeschule und den Beaglespielplatz besucht hat, Katzen und Hasen gejagt und geschmust hat, mit unseren Kindern gespielt hat und mit in Urlaub gefahren ist.

Versuchslabore hinterlassen Spuren, physisch wie psychisch. Hunde aus dem Jahre 2010 gehören einer anderen Generation Versuchstier an, als die, die wir heutzutage sehen. Es sind Hunde aus einer Langzeitbeobachtung. „Gemacht“ wurde längere Zeit schon nichts mehr, aber sie lebten in einer reizarmen Umgebung. Wir erwarten, dass  sie sicherlich etwas verpeilt sind, wenig bis nichts können und vermutlich zurückhaltend sind, Scheu vor Neuem haben.

Wir brauchen sehr sichere Plätze und Leute, die nicht gleich aufgeben, wenn der Hund auch nach vier Wochen noch nicht kuscheln kommt und vor Dankbarkeit eben nicht fast zusammenbricht, aber das, liebe Leser, ist echter Tierschutz. Junge, lustige Hunde kann jeder.

Deshalb kommen für eine Übernahme nur hundeerfahrene, exakt aufgeklärte Menschen in Frage, die einigermaßen eine Vorstellung davon haben, wie die Sache ausgehen kann. Wir sind gerne bereit, die Hunde in Dauerpflegestellen oder auf Gnadenhöfe zu geben und übernehmen damit sämtliche Tierarztkosten.

 

Nun haben wir mit dem heutigen Tag also sage und schreibe 34 Hunde in der Vermittlung, einige davon fast chancenlos. Es ist kurz vor Weihnachten, der Vermittlungsstopp über den Jahreswechsel naht, und die Welt hat definitiv andere Probleme als ein paar alte Hunde.  

Jetzt seid ihr gefragt: Wir freuen uns auf eure Anfragen, Patenschaftsanträge, Spenden. Und am allermeisten freuen wir uns, wenn wir die Oldies im Januar abholen dürfen und mit ihnen in einen hundegerechten Sonnenuntergang fahren dürfen.

Alte Hunde sind toll. Ich habe meine Buddy und die anderen so, so sehr geliebt; immer, in jedem Alter. Aber der Charme meiner Hunde, als sie alt waren, ist die Erinnerung, die mich am meisten berührt.

 

Noch eine Abschlussbemerkung zum Film, und wenn ihr bis hierhin durchgehalten habt, entlasse ich euch gern mit der Bitte, einmal darüber nachzudenken, wer einen alten, eher unsicheren Hund aufnehmen könnte.*

Man muss bitte folgendes verstehen: Die LBH (und die anderen Vermittlungshilfen für Laborhunde) sind nicht dazu da, die Tierversuche abzuschaffen. Daran arbeiten andere, aber das werden wir in diesem Jahrzehnt (und auch nicht im nächsten, sorry but true) nicht hinkriegen, weil wir Menschen eben bestimmte Erwartungen an das Gesundheitssystem und an Produktsicherheit haben.

Wir sind dazu da, den Hunden, die überleben, eine zweite Chance auf ein Leben zu verschaffen, wie wir es uns für diese Hunde wünschen. Weil wir das gut machen, haben wir in den allermeisten Fällen keine traurigen Gesichter vor unseren Kameras, sondern Erfolgsgeschichten, wobei uns wichtig ist, dass es die Erfolgsgeschichte dieser HUNDE ist.

Wir freuen uns, wenn ihr daran teilhabt und vielleicht sogar auch einen Ex-Laborhund ein Zuhause schenkt. Muss ja kein klappriger Hundeopi sein.

 

Mehr über die einzelnen Hunde findet ihr hier auf der Homepage unter „Hunde in der Vermittlung“, siehe bitte hier: https://www.laborbeaglehilfe.de/tiere

Die 13Jährigen sind noch nicht alle eingestellt, kommt aber in Kürze.

 

*Im Märchen der Bremer Stadtmusikanten sagt eines der ausgemusterten Tiere den Satz: "Etwas besseres als den Tod finden wir überall". Sorry, aber das ist bei uns nicht so: Wir haben Vermittlungskriterien, die erfüllt sein müssen, bevor wir einen Hund auf "reserviert" setzen. Wenn Sie mehr darüber wissen möchten oder sich unsicher sind, rufen Sie gern an oder schreiben uns eine Mail. Interessenten für Pflegeplätze wenden sich bitte direkt an Nicole Albrecht (zu finden unter "Team"). 

Und bitte: Informieren Sie sich vorher mit allem, was Sie finden können, denn bei über 30 Vermittlungshunden haben wir wirklich gut zu tun. Bitte lesen Sie sich ein, zum Beispiel hiermit: https://amzn.to/3NcbdvE 

Für zukünftige Pflegestellen: https://amzn.to/41mkqI1

Und noch ein ultimatives Weihnachtsgeschenk für Menschen, die genug haben von üblen Bildern, sondern sich schweren Themen lieber humorvoll nähern: https://amzn.to/46BwC8A und https://amzn.to/3GqeHa7

(ja klar ist das Werbung. Aber erlaubt. Und es gibt wirklich schlechtere Bücher.)

 

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