header_beagle.jpg

head_kolumne


Missverständnisse

Die Illusion, dass alle Hunde lebenslang dort bleiben, wohin wir sie vermittelt haben, haben wir als solche erkannt und wir bemühen uns um einen unaufgeregten Umgang mit Umsetzern. So nennen wir die Hunde, die zurückkommen und für die wir - möglichst übergangslos - ein neues Zuhause finden müssen.

Das bedeutet aber nicht, dass wir uns damit abgefunden haben, deshalb versuchen wir, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Das ist leichter, wenn die Menschen, die sich vom Hund trennen, ehrlich sind. Eine plötzlich auftretende Allergie wird im ein oder anderen Fall die Ursache sein, ist für einige aber auch das Totschlag-Argument, mit dem man sich lästige Diskussionen vom Hals halten möchte. Schließlich können wir von niemandem erwarten, einen Hund auf Kosten der eigenen Gesundheit zu behalten.

Woran aber liegt es wirklich, wenn der Hund gehen muss? Welche Erwartungen wurden an den Hund gestellt, die er nicht erfüllt hat oder erfüllen konnte? Wenn wir innerhalb weniger Tage zwei Hunde zurückbekommen, die wir selbst als ausgesprochen menschenbezogen und freundlich kennen gelernt haben, dann gab es an irgendeiner Stelle im Vorfeld ein Missverständnis.

Dieses Missverständnis könnte mit dem arg strapazierten Image der Beagle als putzige, lustige, pflegeleichte Familienhunde zusammenhängen. Der Umstand, dass unsere Hunde aus Versuchslaboren kommen, ist eine weitere Steilvorlage für Fehlinterpretationen.

Wenn Presse und Fernsehen über diese Hunde berichten, darf ein kurzer Hinweis oder Einspieler auf das "Grauen im Labor" nicht fehlen, das garantiert Betroffenheit und Gän- sehaut und sorgt für gute Auflagen und Quoten.

Man fühlt sich mitschudig am Leid der Tiere - schließlich konsumiert man Medikamente - und meint, man hätte etwas gutzumachen. Am besten, indem man ein solches Tier bei sich aufnimmt.


Es wäre wirklich interessant, heraus-zufinden, was Menschen, deren Motivation in erster Linie auf Mitleid beruht, von diesen Hunden erwarten. Ich habe einen schlimmen Verdacht: Ist es möglich, dass man sich auf ein verhuschtes, geschundenes Wesen einstellt, dass einem den Platz auf der Couch, die Streicheleinheiten und das Futter mit ewiger Dankbarkeit und Anbetung bezahlt und frei von allen Ansprüchen als loyaler Begleiter sein Dasein an unserer Seite fristet? Weil wir ja so großherzig waren und es "gerettet" haben?

Mal ehrlich, fühlen Sie sich nicht auch ein bisschen besser, wenn Sie - statt zum Züchter zu gehen - ein Labortier übernehmen? Dass Sie bei einem guten Züchter das Vierfache für den Hund bezahlen, erwähnen wir hier mal nicht, solche Überlegungen kommen Ihnen sicher gar nicht in den Sinn.

So weit, so gut.

Und dann kommt der Hund. Ein Wesen, dass Sie nicht kennen und das sie nicht kennt und möglicherweise so gar nicht Ihren Erwartungen entspricht. Es beginnt mit der Größe und dem Gewicht. Wie groß und wie schwer Beagle sind, ist überall nachzulesen, auch wir machen kein Geheimnis daraus. Beim Anblick des vom neuen Halter großzügig bereit-gestellten Körbchens drängt sich mitunter der Verdacht auf, man hätte einen Yorkshire Terrier erwartet.

plueschbeagleStatt sich dekorativ irgendwo abzulegen, zieht der Hund es vor, zunächst mal alle Ecken des Raumes zu markieren und nimmt dabei keinerlei Rücksicht auf die frisch gewaschenen Übergardinen.

Leckerlis aus der Hand lehnt er kategorisch ab und verdreht angewidert den Kopf. Unruhig geht er im Zimmer auf und ab. Der neue Halter versteht die Signale und bereitet sich auf den ersten Spaziergang vor. Das Anlegen von Geschirr und Halsband gestaltet sich schwierig und zeitraubend, der Hund dreht und windet sich und möchte nicht angebunden werden. Nach zwanzig Minuten ist es vollbracht und es kann losgehen. -

Es könnte losgehen, würde der Hund nicht nun alle 4 Beine mit aller Kraftt in den Boden stemmen und sich weigern, auch nur einen Schritt zu gehen. Der neue Halter kennt sich aus mit Hunden und legt den Weg vom Wohnzimmer zur Wohnungstür im gehockten Rückwärtsgang zurück, während er beruhuhigend auf den Hund einredet. Mit etwas Glück wird der Hund folgen.

Kaum ist man aus der Wohnung, erweist sich die Treppe als das nächste unlösbare Problem. Das bockige Tier legt sich auf den Boden, anstatt die drei Stufen zur Haustür herunterzulaufen. Der neue Halter beschließt, den Hund die Treppe herunterzutragen und stellt spätestens jetzt fest, dass er keinen Yorshire Terrier auf dem Arm hat. Das Tier ist schwer und müffelt nach Zwinger.

Draußen angekommen bietet sich dem neuen Halter eine gute Gelegenheit, im Kopf schon mal den unausweichlichen Badevorgang durchzuspielen und über Vorkehrungen nachzudenken, um eine anschließende Renovierung des Badezimmers zu verhindern. Er kann sich voll und ganz seinen Überlegungen hingeben, denn der Hund will nicht spazieren gehen. Er steht rum und beschnuppert jeden Grashalm einzeln, ausgiebig und lange.

Eine halbe Stunde später wird er in die Wohung zurückgetragen, wo er sofort und mitten auf dem teuersten Teppich sein Geschäft verrichtet. Die allgemeine Stimmung sinkt. Die Bade-Aktion wird wegen nachlassender Nervenkraft verschoben.

Plötzlich weiß der Hund wieder, wofür er seine Beine hat und beginnt, unruhig auf und ab zu traben. Dass gerade "Tatort" läuft, interessiert ihn nicht. Der neue Halter versucht vergebens, das Tier zu beruhigen und zeigt ihm gefühlte 273mal seine Schlafgelegenheit.

Der Hund, der eben noch völlig außerstande war, eine Treppenstufe zu überwinden, wird nun sportlich und erklimmt das Sofa, wo er schließlich schnarchend einschläft. Der Halter schleicht auf Zehenspitzen ins eigene Bett, um die Ruhe nicht zu gefährden. An Schlaf ist dennoch nicht zu denken, machen sich doch erste Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, einen Laborhund zu übernehmen, breit. Stunden später schläft er endlich ein. Um halb 6 am nächsten Morgen wird er durch vehementes Kratzen an der Schlaf-zimmertür geweckt . Er wirft sich in Turbogeschwindigkeit in die Klamotten, denn er weiß: Der Hund muss raus. Auf der Suche nach dem linken Schuh, von dem er schwören könnte, dass er gestern Abend noch exakt und akkurat neben dem rechten stand, bekommt er plötzlich nasse Socken und bemerkt, dass er zu langsam war. So kann er in aller Ruhe seinen abhanden gekommenen Schuh suchen. Er findet Ihn schließlich eingeklemmt unter dem 2-Sitzer-Sofa und stellt fest, dass er nicht mehr zu gebrauchen ist. Die Suchaktion wird schwanzwedelnd von Hund begleitet, der irritiert ist, als der Schuh in der Mülltonne verschwindet und sich den Ort merkt.

Der entnervte Halter beschließt, zunächst Brötchen und die Zeitung zu kaufen. Bei der Gelegenheit kann auch prima getestet werden, wie sich "der Hund allein zu Hause" verhält. Er schließt die Wohnungstür hinter sich und ist hocherfreut, keine Lautäußerungen wahrzunehmen. Das ist ja prima, alles wird gut.

Als er kaum eine Viertel Stunde später wieder zurückkommt, sitzt der Hund inmitten des Inhalts des geleerten Müllteimers und kaut genüsslich auf dem soeben ausgemusterten linken Schuh rum. Beim Anblick des Halters zieht er schuldbewußt ab und legt sich auf seinen Schlafplatz, den er gestern noch hartnäckig abgelehnt hatte.

Der Halter hat nun drei Möglichkeiten:

A: Er ruft bei der Laborbeaglehilfe an, berichtet, dass er massiv unter einer plötzlich und unerwartet aufgetretenen Allergie leide, die die Abgabe des Hundes leider, leider unumgänglich mache, was wirklich schlimm sei, er habe sich schon so an das Tier gewöhnt und bittet um rasche Abholung. Bei der Abholung des Hundes gibt er das gesamte Hunde-Equipment incluse des Yorkshire-Terrier-Körbchens mit, um seine Glaubwürdigkeit zu unterstreichen.

B: Er ruft bei der Laborbeaglehilfe an und berichtet, dass er mit der Gesamtsituation komplett überfordert ist und aus dem Fenster springt, wenn nicht sofort jemand kommt, der den Hund abholt, bitte bis spätestens 18 Uhr, da danach die Schuhgeschäfte geschlossen sind und fragt an, wer denn nun die neuen Schuhe bezahlt.

C: Er atmet tief durch, bringt Zeitung und Brötchen in einen müllfreien Raum, frühstückt, räumt die Küche auf, legt dem Hund in 15 Minuten Geschirr, Halsband und Leine an, trägt ihn die Treppe runter, steht mit ihm im Vorgarten und sieht fasziniert zu, wie der Hund jeden Grashalm einzeln, ausgiebig und lange beschnuppert, weil er weiß, dass der Hund alles, was er tut, zum ersten Mal in seinem Leben tut . Er weiß, dass der Hund Zeit braucht, sich in seiner neuen Situation zurechtzufinden und ist bereit, ihm dabei zur Seite zu stehen und den Hund das Tempo bestimmen zu lassen. Der Hund, der gerade in diesem Moment seine ersten Schritte im Freien freiwillig geht, entspricht nicht dem Bild, das er von ihm hatte, bevor er ihn kennen lernen konnte, aber er ist entschlossen, sich auf diesen Hund einzulassen, ihn Schritt für Schritt kennen und lieben zu lernen.

Dies ist kein Quiz und Sie können auch nichts gewinnen - abgesehen von Einsichten. Sollten Sie sich dennoch ohne zu zögern für die Variante C entschieden haben, freuen wir uns auf Ihren Anruf. Allen anderen empfehlen wir wärmstens die Plüschvariante des Beagles. Garantiert pflegeleicht , nerven- und teppichschonend!

Text/Copyright: Iris Alberts

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.